Honigraum eröffnen - wann und wie

Sebastian Ganzer • Apr. 20, 2022

Soll ich, oder soll ich nicht?

Die Frage um den richtigen Zeitpunkt für die Eröffnung des Honigraums stellen sich viele jedes Jahr aufs Neue.

„Normalerweise ist es spätestens zu Beginn der Apfelblüte, … höchste Zeit, den Honigraum freizugeben“, schreibt Erhard Maria Klein im Bienenkiste-Buch (ab S. 88). Wann man den Honigraum freigibt, lässt sich also nicht an einem bestimmten Datum festmachen, sondern an der Frühjahrsentwicklung, die jedes Jahr anders sein kann.

Der richtige Zeitpunkt für den Honigraum

Die Situation und Entwicklung der Völker ist unterschiedlich. Normale Völker, die gut durch den Winter gekommen sind, haben inzwischen viele Bienen und brauchen mehr Platz. Platz bedeutet nicht mehr Volumen in der Bienenkiste, sondern freie Zellen in den Waben. Wenn keine freien Zellen mehr vorhanden sind und das Wetter gut ist, kommt ein Volk in Schwarmstimmung („arbeitslose“ Sammlerinnen, kein weiteres Wachstum möglich, der Wabenbau geht zu langsam - siehe Blogartikel „Aktuelle Situation bei den Bienen im April 2022“).

Spätestens, wenn die Bienen sich anschicken unter dem Trennschied hindurch Waben in den Honigraum zu bauen, ist es Zeit, das Trennschied zu entnehmen und den Honigraum mit Wabenleisten und Mittelwänden zu bestücken. Man kann entweder den genauen Zeitpunkt zum Eröffnen des Honigraumes abpassen, oder man macht das vorher, an einem geeigneten Tag (warm, wenig Wind...). Es ist kein Nachteil, wenn man den Honigraum (zu) früh eröffnet, das Bienenvolk wächst nach und nach zum Honigraum hin. Solange ein Volk nicht groß genug ist, wird es den Honigraum nicht einnehmen und umgekehrt wird das Volk, wenn es wächst, immer mehr Raum besetzen und schließlich auch den Honigraum, ob dort Mittelwände sind oder nicht. Wärme geht durch den eröffneten Honigraum nicht verloren. Das ist der Fall beim Imkern mit Magazinbeuten, wo Honigräume oben auf den Brutraum aufgesetzt werden. Das Trennschied hat seine Funktion nicht als Wärmeschied, sondern als Bausperre, damit die Bienen im Brutraum Waben nebeneinander bauen statt wenige lange Waben bis in den Honigraum. Den Honigraum also lieber zu früh, als zu spät eröffnen.

Mittelwände einsetzen

Ich empfehle, ganze Mittelwände für den Honigraum zu verwenden. Ganze Mittelwände, rechtzeitig eingesetzt, haben folgende Vorteile:

  • Die Bienen legen mehr Vorräte an. Diese sollte man im Juli (oder 24 Tage nach Schwarmabgang, weil dann brutfrei) ernten. Sie stellen bei normalen Trachtverhältnissen einen Überschuss dar. Wer keinen Honig mag oder den Bienen nichts wegnehmen möchte, erntet trotzdem (wir brauchen einen leeren Honigraum für die Varroabehandlung) und kann den Bienen ihren Honig später wieder füttern. Oft sind die Trachtverhältnisse nicht gut genug und die Bienen verbrauchen im Sommer alles wieder, was sie im Frühling sammeln konnten. Honig ist auf jeden Fall besser als Zucker, bzw. man kann mit Honig das Zuckerwasser aufwerten (jeder kleine Löffel Honig im Zuckersirup ist besser als nichts). Aus diesem Blickwinkel betrachtet, gebe ich lieber Mittelwände, wenn ich dafür nicht so viel Zucker füttern muss.
  • Gerade Waben im Honigraum: Die Bienen bauen im Honigraum ihre Waben lieber etwas dicker und nicht so gleichmäßig wie in den ersten Wochen, nachdem der Schwarm einzieht. Am Rand des Brutnestes, also auch im Honigraum, bauen die Bienen gerne Drohnenwaben (oder Dickwaben für Honig), diese sind breiter als Waben mit Arbeiterinnenzellen. Wenn man die Bienen im Honigraum frei bauen lässt oder nur schmale Anfangsstreifen verwendet (werden z.T. ignoriert), bauen die Bienen oft krumme Waben über mehrere Wabenleisten hinweg. Im Brutraum stört mich das nicht sonderlich, aber den Honigraum möchte ich auf jeden Fall im Juli wieder leer haben für die Varroabehandlung. Wenn ich dann die Waben zerschneiden muss, um sie herauszubekommen, dauert das lange, dann läuft Honig aus, es klebt alles, auch Bienen verkleben, dann kommen viele Bienen, weil es lange dauert und nach Honig riecht, man wird nervös und es macht keinen Spaß. Dann werden andere Imker um Rat gefragt und am Ende heißt es, das mit der Bienenkiste sei ein Desaster, wie soll das denn funktionieren... Man kann das vermeiden, wenn man sich an die Anleitung im Bienenkiste-Buch hält, das funktioniert am besten! Nach Anleitung ist es vielfach erprobt und es ist am besten für die Bienen und für die Menschen, die die Bienen betreuen.

Oder doch die Mittelwände weglassen?

Wer Mittelwände einsparen möchte, weil sie teuer sind (das relativiert sich, wenn man pro Mittelwand ca. 2kg Honig rechnet) oder weil er kein fremdes Wachs möchte (Bio-Wachs gibts bei mir im Shop), dem empfehle ich, zumindest große Mittelwandstreifen zu verwenden, zum Beispiel ein Drittel große Mittelwände, damit die Bienen eine deutliche Bauvorgabe haben. Ebenfalls eine gute Sachen sind diagonal zugeschnittene Mittelwände, wie im zweiten Buch „Wesensgemäße Bienenhaltung in der Bienenkiste“ auf S. 127 zu sehen. Ab Seite 125 wird dort auf „Ohne Mittelwände imkern“ eingegangen. Halbe Mittelwände haben den Vorteil, dass man zur Not Platz hat für ein Futtergefäß, falls man füttern muss, weil eine längere Schlechtwetterphase eintritt. Optional lässt man ganz bewusst Platz für ein kleines Futtergefäß, zum Beispiel kann man am Rand drei oder vier halbe Mittelwände verwenden.

Wer einen frühen Schwarm möchte, kann das Bienenvolk eng halten - am Trennschied (fast) ganz zumachen. Das Volk kommt dann tendenziell früher in Schwarmstimmung. Der Schwarm und das Restvolk haben dann mehr Zeit bis zum Sommer für ihre Entwicklung und können die Frühjahrstracht nutzen für den Neustart (Schwarm) bzw. den Wiederaufbau (Restvolk). Der Schwarm wird tendenziell etwas kleiner sein, das Restvolk hat weniger Vorräte. Beides wird aber leicht kompensiert durch den früheren Zeitpunkt. Voraussetzung dafür ist ein gutes Trachtangebot und passendes Wetter bzw. der entsprechende Ausgleich durch Zufüttern. Man braucht dann keine Mittelwände und es gibt keinen Honig zu ernten. Der Verzicht auf Mittelwände ist also natürlich möglich. Man sollte sich bewusst sein, was das für einen Effekt hat, man kann damit die Volksentwicklung bedingt lenken, bzw. die Impulse, die durch das Wetter und aus der Natur kommen, verstärken oder abschwächen.

Was also tun?

Ich empfehle vor allem denen, die noch keine, oder wenig Erfahrung haben, nach Anleitung im Bienenkiste-Buch zu imkern, das ist erprobt und funktioniert am besten. Ich mag außerdem sehr gerne Honig und wünsche jedem, den Honig der eigenen Bienen zu probieren, denn er ist etwas ganz Besonderes. In meiner Idealvorstellung vom Imkern als Symbiose zwischen Menschen und Bienen, ist Honig für mich ein Geschenk der Bienen. Diese Symbiose ist viele tausend Jahre alt - Menschen kümmern sich um Bienen durch Schaffung von Lebensräumen in Kulturlandschaften (erst durch die industrielle Landwirtschaft wird Lebensraum zerstört) und Bereitstellung von Bienenbehausungen. Und die Bienen kümmern sich um die Menschen, indem sie ihnen Wachs, Honig, Propolis, Gift, Inspiration u.a. „schenken“.

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